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| zwischen sinn und subversion – sieben fragen an.. wyoming |

Posted: November 28th, 2013 | Author: | Filed under: interview - 7 fragen.., word | No Comments »

es ist nicht so, dass man keinen platz um sich hat, im hamburger grünen jäger, als die band „wyoming“ die bühne betritt. die gesichter im publikum sprechen von erwartungsgeladener erwartungslosigkeit. die ersten taktschläge und die dumpfe gitarrenmelodie von „afterword“ transportieren hingegen unerwartete ambitionen. au wei, hier ist eine band, die weiss, was sie will. ist das nun schlecht oder gut? künstlerischer anspruch in kombination mit stilistischer konformität? falsch. hier ist eine band, die sich über ihre musik vorstellt, die hochkonzentriert ihre debüt-platte „fountain“ präsentiert und dabei zugängliche elektronische tonräume anbietet, deren architektur aus handwerklicher struktur und authentischen emotionen besteht.

die redaktion von off-journal fühlt sich geehrt, die junge band für eine neue ausgabe von „zwischen sinn und subversion“ interviewen zu dürfen – schwerpunkt heute: „zwischen seriösität und suggestiv-sumpf“. legen wir los.

bandname-generator, dictionnary oder reisebüro?

wyoming: dictionnary: algonkin – deutsch; deutsch – algonkin.

wie schreibt ihr eure songs bzw. was ist zuerst da, bass, beat, melodie, chords ..? wer sprüht den funken?

wyoming: zumeist ist es eine gesangsmelodie und ein paar akkorde, die sich aber durch die hinzunahme von beat-, sound- und weiteren instrumentalideen verändern, bedingen und neues hervorbringen können. es gibt keine feste reihenfolge und die art und weise des songwritings hängt immer wieder von den einzelnen songfragmenten ab.

immer wieder grassieren die wortfetzen „teenage angst“ im zusammenhang mit eurer band. programm oder erlebtes?

wyoming: wir haben den ausdruck selbst nicht eingebracht, aber wir haben auch schon gemerkt wie dankbar er bei interviews und beschreibungstexten aufgenommen wird. spannenderweise gibt es trotzdem klare parallelen und übereinstimmungen zu dem inhalt unserer texte und damit auch zu unserem erlebten.

in eurem ohrwurmverdächtigen song „man/machine“ singt ihr: „i’d like to be as serene as a machine […] (there’s a void in anyone..)  — not disappointing anyone“ – wieviel gesellschaftssarkasmus verträgt die feinfühlige drehreglerszene?

wyoming: die „drehreglerszene“ hat ja bekanntermaßen häufig mit den vorwürfen zu kämpfen, dass sie keine „richtige musik“ machen würden, obwohl die genauere auseinandersetzung damit zeigt, dass das gegenteil der fall ist. trotzdem ist klar, dass die maschine, die sie bedienen, ihnen einiges an arbeit und teure mitmusiker abnehmen kann. allerdings sind wir auch der festen überzeugung, dass nummer 5 lebt!

chillout-präferenzen: bootboohook-bierchen auf der wiese oder glastonbury-backstagebereich?

wyoming: wir sind für ein bierchen auf der wiese des glastonbury, da das andere festival ja leider nicht mehr stattfinden wird…[oh neeein, anm. d. red.]

mal angenommen, ihr könntet – frei wählbar – einen vierten musiker in eure band holen, wer würde dies sein..

wyoming: johann könig an den keys.

wenn musikalische übertreibung einen namen hat, dann heißt sie „chkchkchk“, deren support ihr auf eurer tour wart. ihr wirkt solide, bisweilen reserviert, akkurat. was ist eure form der übertreibung und wann haut ihr sie raus?

wyoming: im schutz der masse vor der bühne von chkchkchk!


| “augenblicke der post-sozialen” – eine miniatur von eric stegel (gastbeitrag) |

Posted: November 17th, 2013 | Author: | Filed under: exkurs ohne norm | No Comments »

“das café noir ist für jede und jeden offen. es trägt einen vorhang vor dem einzigen fenster. vier treppenstufen führen zum eingang herab. das türschild ist längst abgefallen. dennoch kann man auf dem hellen holz lesen: „café noir – die undenkbar“. das licht im innern ist gedimmt. meist legt malte dieselbe platte auf. keiner interessiert sich dafür, was gespielt wird, weder hier drinnen, noch draußen in der welt. ins café noir kommen nicht die menschen, die vom leben genug haben, sondern die, die von den menschen genug haben. sie sind in-betweener, mal hier mal dort. zwischendrin und doch draußen. ungreifbar und unbegreiflich.

rouven sitzt am vordersten tresen. er ist ein ausgewachsener mann. er muss sich weit bücken, um zur violine zu fassen, die er seitlich an den barhocker gelehnt hat. seine barthaare sprießen, irgendwo dazwischen auch ein paar graue. dazwischen. rouven ist ein in-betweener. eine raumfalte. ein kratzen an der tür, von beiden seiten. die mittlere kegel, die nicht getroffen wird, die aber auch niemand wieder aufstellen muss. er ist unsichtbar. unbrauchbar. wenn er spricht, verhallen die worte auf halbem wege. wer zu ihm spricht, spürt, dass die worte an ihm abprallen wie regen auf zellophan. sie bleiben als tropfen an ihm kleben, doch nimmt er sie nicht zu sich auf. er schüttelt sie ab. jeden menschen schüttelt er ab.

immer dienstags breitet er seine schreibutensilien aus. ein füllfederhalter, ein briefbogen und ein altmodisches tintenfässchen. wenn er den stift zum schreiben ansetzt, beugt er seinen kopf samt brille so weit hinunter, dass malte ihn inzwischen „beuge“ nennt. er schreibe keine briefe, erklärt er bisweilen. er klage an. als malte ihn vorgestern fragte, über was er schreibe, errötete er. kurze zeit später ist er fortgegangen, ohne zu bezahlen.”

eric stegel ist kulturanthropologe und hobby-buchhalter. seine leidenschaften sind modellboote auf der spree und reiseberichte von malcolm lowry – kontakt: eric.stegel@web.de