es ist nicht so, dass man keinen platz um sich hat, im hamburger grünen jäger, als die band „wyoming“ die bühne betritt. die gesichter im publikum sprechen von erwartungsgeladener erwartungslosigkeit. die ersten taktschläge und die dumpfe gitarrenmelodie von „afterword“ transportieren hingegen unerwartete ambitionen. au wei, hier ist eine band, die weiss, was sie will. ist das nun schlecht oder gut? künstlerischer anspruch in kombination mit stilistischer konformität? falsch. hier ist eine band, die sich über ihre musik vorstellt, die hochkonzentriert ihre debüt-platte „fountain“ präsentiert und dabei zugängliche elektronische tonräume anbietet, deren architektur aus handwerklicher struktur und authentischen emotionen besteht.
die redaktion von off-journal fühlt sich geehrt, die junge band für eine neue ausgabe von „zwischen sinn und subversion“ interviewen zu dürfen – schwerpunkt heute: „zwischen seriösität und suggestiv-sumpf“. legen wir los.
wie schreibt ihr eure songs bzw. was ist zuerst da, bass, beat, melodie, chords ..? wer sprüht den funken?
wyoming: zumeist ist es eine gesangsmelodie und ein paar akkorde, die sich aber durch die hinzunahme von beat-, sound- und weiteren instrumentalideen verändern, bedingen und neues hervorbringen können. es gibt keine feste reihenfolge und die art und weise des songwritings hängt immer wieder von den einzelnen songfragmenten ab.
immer wieder grassieren die wortfetzen „teenage angst“ im zusammenhang mit eurer band. programm oder erlebtes?
wyoming: wir haben den ausdruck selbst nicht eingebracht, aber wir haben auch schon gemerkt wie dankbar er bei interviews und beschreibungstexten aufgenommen wird. spannenderweise gibt es trotzdem klare parallelen und übereinstimmungen zu dem inhalt unserer texte und damit auch zu unserem erlebten.
in eurem ohrwurmverdächtigen song „man/machine“ singt ihr: „i’d like to be as serene as a machine […] (there’s a void in anyone..) — not disappointing anyone“ – wieviel gesellschaftssarkasmus verträgt die feinfühlige drehreglerszene?
wyoming: die „drehreglerszene“ hat ja bekanntermaßen häufig mit den vorwürfen zu kämpfen, dass sie keine „richtige musik“ machen würden, obwohl die genauere auseinandersetzung damit zeigt, dass das gegenteil der fall ist. trotzdem ist klar, dass die maschine, die sie bedienen, ihnen einiges an arbeit und teure mitmusiker abnehmen kann. allerdings sind wir auch der festen überzeugung, dass nummer 5 lebt!
chillout-präferenzen: bootboohook-bierchen auf der wiese oder glastonbury-backstagebereich?
wyoming: wir sind für ein bierchen auf der wiese des glastonbury, da das andere festival ja leider nicht mehr stattfinden wird…[oh neeein, anm. d. red.]
mal angenommen, ihr könntet – frei wählbar – einen vierten musiker in eure band holen, wer würde dies sein..
wyoming: johann könig an den keys.
wenn musikalische übertreibung einen namen hat, dann heißt sie „chkchkchk“, deren support ihr auf eurer tour wart. ihr wirkt solide, bisweilen reserviert, akkurat. was ist eure form der übertreibung und wann haut ihr sie raus?
wyoming: im schutz der masse vor der bühne von chkchkchk!
“das café noir ist für jede und jeden offen. es trägt einen vorhang vor dem einzigen fenster. vier treppenstufen führen zum eingang herab. das türschild ist längst abgefallen. dennoch kann man auf dem hellen holz lesen: „café noir – die undenkbar“. das licht im innern ist gedimmt. meist legt malte dieselbe platte auf. keiner interessiert sich dafür, was gespielt wird, weder hier drinnen, noch draußen in der welt. ins café noir kommen nicht die menschen, die vom leben genug haben, sondern die, die von den menschen genug haben. sie sind in-betweener, mal hier mal dort. zwischendrin und doch draußen. ungreifbar und unbegreiflich.
rouven sitzt am vordersten tresen. er ist ein ausgewachsener mann. er muss sich weit bücken, um zur violine zu fassen, die er seitlich an den barhocker gelehnt hat. seine barthaare sprießen, irgendwo dazwischen auch ein paar graue. dazwischen. rouven ist ein in-betweener. eine raumfalte. ein kratzen an der tür, von beiden seiten. die mittlere kegel, die nicht getroffen wird, die aber auch niemand wieder aufstellen muss. er ist unsichtbar. unbrauchbar. wenn er spricht, verhallen die worte auf halbem wege. wer zu ihm spricht, spürt, dass die worte an ihm abprallen wie regen auf zellophan. sie bleiben als tropfen an ihm kleben, doch nimmt er sie nicht zu sich auf. er schüttelt sie ab. jeden menschen schüttelt er ab.
immer dienstags breitet er seine schreibutensilien aus. ein füllfederhalter, ein briefbogen und ein altmodisches tintenfässchen. wenn er den stift zum schreiben ansetzt, beugt er seinen kopf samt brille so weit hinunter, dass malte ihn inzwischen „beuge“ nennt. er schreibe keine briefe, erklärt er bisweilen. er klage an. als malte ihn vorgestern fragte, über was er schreibe, errötete er. kurze zeit später ist er fortgegangen, ohne zu bezahlen.”
eric stegel ist kulturanthropologe und hobby-buchhalter. seine leidenschaften sind modellboote auf der spree und reiseberichte von malcolm lowry – kontakt: eric.stegel@web.de
gewagt kommt von gewogen. bildung kommt von bild. und musik aus dem kopfhörer. nein, aus dem proberaum. it’s bootleg-time. gewogen war ich der band the broken beats lange zeit. bevor sie wie retorten-strokes klangen und weit bevor sie sich in popsphären entbanden, deren tondunst scheinbar nur kim munk durchdringt. sein gusto prangt nun wie ein kaufmich-sticker auf dem plattencover, zieht sich wie ein tinnitus durch jedes neu kreierte songgerüst, hängt wie spucke im mikro für jede neue gesangsspur. eine pseudokreative inszenierung jagt die nächste. kim munk und sein starensemble „galaxy symphony orchestra“, bereits für den nächsten fahrstuhl.
eine szene, wie sie christian kracht erlebt haben könnte: im freiburger walfisch, 2006, 5 euro, konzert bereits begonnen. promoten für das album „them codes…them codes“. ja, das konnten sie gut. die bassistin maria steht noch am tresen und schwatzt, während kim unerkennbares ins mikro jodelt. zwischen dhouu und daiihh und drei umdrehungen liegen ein paar schlücke bier. eine geräuschkulisse von gesprächen, flaschengeklimper und bassgedudel. irgendwo ein paar herumfliegende töne. die niemand beachtet, denn so wichtig sind sie nicht. bis: „well everybody knooows it’s tiiime to try“. ein kurzer moment der aufmerksamkeit. er vergeht schnell wieder, doch die szenerie hat sich verändert. es herrscht nur noch latente indifferenz, stillschweigendes wippen, ein kurzer blick, der erste fuss bewegt sich. die bassläufe werden plötzlich sichtbar, wie stroboskop-fäden stottern sie durch den miefigen raum. der beat treibt die ersten schweissperlen auf die stirn, anzeichen von indietronic-offbeat-getacker aus der hintersten reihe. signal, signal. die gitarre hustet ein düsteres solo, wird aber sofort vom refrain verschluckt. wieder kims „everybody knooows“. danach kam nichts mehr. aber was sollte danach noch folgen? es war alles gesagt.
“everybody knows” ist der siebte song aus der offjournal-reihe “accidental play of the week – die musikalische halbe stunde reise nach jerusalem, bei der der song gewinnt, der im ohr stehenbleibt.”
nein, „nicht-orte“ von marc augé ist keiner der verstaubten anthropologischen wälzer, die man nur sachte aufblättern darf, da sonst das feine papier in den eigenen, groben fingerkuppen zu bröseln beginnt. kein leineneinband oder emblem ziert die stolze imperialistische errungenschaft von feldforschung in wilden, fremden gebieten. die zeiten, in denen sich die ethnologie über tropenhüte und stark profilierte wanderschuhe definierte, sind passé. ethnologen – das ist längst klar – sind darin gescheitert, das soziale zu vermessen, indem sie „dicht beschreiben“ (geertz), mit notizblöcken oder papyrusrollen.
das leichte büchlein „nicht-orte“ zeigt einen leeren parkplatz. kultur: westlich. motiv: konsum. mobilität: auto. es ist – und dies macht der autor schnell und unweigerlich deutlich – eine ethnografie des nahen. sie betrifft uns alle.
dass die thematik „raum“ und „räumlichkeit“ in den letzten drei dekaden ein schattenpflänzchendasein fristete und nun plötzlich wieder ins tageslicht des literarischen wie wissenschaftlichen interesses zurückgeholt wird, macht sich sehr leicht an der neuauflage dieses von marc augé 1991 verfassten werkes fest.
doch warum? der raum ist doch ohnehin erschlossen. google-earth bildet jeden zentimeter der erdkugel ab und telekommunikation via apfel geschieht zudem in nahezu gleichgeschalteter gleichzeitigkeit. es besteht keinen zweifel daran: die vermessung der welt ist abgeschlossen. raum spielt keine rolle mehr. oder?
augé widerspricht hier nicht, aber er spezifiziert. er unterscheidet die spatiale, geographische erschliessung von raum und die soziale. letztere bezieht sich darauf, dass ein ort nicht per se ist, sondern gebildet wird. augé: „sobald individuen zusammenkommen, bringen sie soziales hervor und erzeugen orte.“ (ebd., 110). raumbegriffe wie „wege“, „schnittpunkt“ oder „zentrum“ (vgl. ebd., 69) müssen in dieser hinsicht neu gefasst werden: welche interaktionswege sind gangbar? welche kommunikativen schnittpunkte werden an welcher stelle deutlich? und wo ist – ungleich zum stadtkern – das zentrum des ortes wirklich?
augés kritisches auge richtet sich auf jene orte, die eine eigenartige paradoxie vereint. sie sind voll mit menschen und doch in sich leer. er nennt sie „nicht-orte“. diese nicht-orte, wie z. b. flughäfen, u-bahnen, flüchtlingslager, supermärkte und hotelkette, sind ‚orte des ortlosen‘. man ist nicht heimisch in ihnen. sie bilden keine individuelle identität aus, haben keine gemeinsame vergangenheit und schaffen keine sozialen beziehungen. sie sind zeichen kollektiven identitätsverlusts.
„der nicht-ort ist das gegenteil der utopie; er existiert, und er beherbergt keinerlei organische gesellschaft.“ (augé 2012, 111)
die nicht-orte, die von der moderne geschaffen wurden, leben in der postmoderne fort und bieten ein tristes schauspiel der vereinsamung (s. cover). dies kulminiert in digitalen nicht-orten, die den menschen jederzeit als ausflucht zu sozialen interaktionen bereitstehen. flimmernde lichtquellen mit wahllosen inhalten zirkulieren im abseits und kreieren in ihrem gesamt eine szenerie des gedanklichen schweigens.
das buch endet im düsteren, doch der leser spürt, dass augé genau jene kehrseite von nicht-orten nicht beleuchtet hat, die der gesellschaftlichen evolution zum wiederholten male einen dialektischen twist verpasst. sind es nicht die nicht-orte, die raum für neue strukturen bieten? die nicht mit geschichte belegt sind? an denen sich menschen finden können, aber nicht müssen? die raum raum sein lassen?
um es in die worte von camus einzupassen: müssen wir uns einen nicht-ort nicht als einen glücklichen ort vorstellen?
jenna gesse ist gestalterin. in der (post)modernen arbeitswelt mag dies profan scheinen, spült der digitale zeitgeist doch schwärmeweise texter und pixelschubser an die schreibtische, die – mal mehr mal minder erfolgreich – äpfeldesigns und sonstige gestalterische vollwertkost produzieren. doch jenna gesse ist anders. sie liebt das buchgestalten zwischen echten pappdeckeln. sie verknüpft inhalt und form auf spielerische wie humoreske weise und hat mit „leerzeichen für applaus“ eine diplomarbeit vorgelegt, die die neidischen blicke so mancher dissertation auf sich zieht und zahlreiche auszeichnungen – auch über den grossen teich hinaus – erhielt.
obwohl – oder gerade weil – sich das off journal in gestalterischer hinsicht unwürdig für gesses zeilen fühlt, freue ich mich umso mehr, jenna gesse für eine neue folge von „zwischen sinn und subversion – 7 fragen an …“ gewonnen zu haben.
was trieb dich an, „leerzeichen für applaus“ zu gestalten – ausser die diplomierung?
jenna gesse: die möglichkeit, inhalt und form beeinflussen zu dürfen – nicht gerade alltäglich für die meisten aufgaben. ich konnte zwei leidenschaften verbinden: das schreiben und die buchgestaltung. ausserdem mussten die unzähligen textskizzen in heften, auf quittungen und kontoauszügen endlich mal zusammen gefasst werden. der ursprüngliche antrieb war aber der „mikrokosmos gestalter“, die kollektiven gedankengänge: nach dem dritten bier geht es immer um verschwitzte exportiervorgänge, flattersatz-krisen und hochauflösende freundschaften. das buch ist eine zusage, mit dieser wahrnehmung nicht alleine zu sein.
mal ganz ehrlich – warum die ganze liebe für die gestaltung eines buches, wenn bücher ohnehin bald ein schattenpflänzchendasein in verstaubten antiquariaten fristen werden?
jenna gesse: besser verstaubt als vertwittert.
wie so oft bei hoffnungslosen liebesgeschichten: es fühlt sich einfach richtig an. und bleibt reizvoll.
wie klingt ein theaterstück zu „leerzeichen für applaus“ und welche rolle würdest du dabei spielen?
jenna gesse: spontan würde mir ein ausrufezeichen-kostüm gefallen. aber vermutlich würde ich selbst gar nicht mitspielen. ich wäre die dramaturgin, die die plakate klebt und das popcorn macht. auf jeden fall gibt es popcorn. das stück fängt aber erst an, wenn alle aufgegessen haben.
ansonsten wäre das stück eher ruhig, regelmässig, mit plötzlichen wirren auswüchsen. irgendwas zwischen tropfendem wasserhahn und mediamarkt.
jenna gesse: gestaltung verträgt sehr viel poesie. gestaltung verträgt sehr viel von allem, was sie lebendig und eigenständig macht. humor, abneigung, haltung … schwieriger ist es andersherum: wie viel gestaltung verträgt die poesie? gestaltung kann poesie die kraft rauben – andersherum kann ich mir das kaum vorstellen.
du hattest in „leerzeichen für applaus“ mehr ideen als mais in einer popcorntüte – was sind deine nächsten pläne?
jenna gesse: nachos.
wie fühlt es sich an, ein typo-rockstar zu sein?
jenna gesse: ich würde ja einen fragen, aber sie sind alle tot.
zerstört es die form dieses interviews, wenn die letzte frage inhaltsleer ist?
jenna gesse: nicht, wenn es eine gehaltvolle antwort darauf gibt. ich sage einfach mal: ja.
aufgrund der grossen abstinenz von nachfragen und wünschen bezüglich grausigen, trashigen covers von überhörten, noch grausigeren klassikern, habe ich mich der treuen leser- und hörerschaft zuliebe in die niederungen der seichten shoegaze-twinkle-backgroundhumming-platten begeben und ein bezauberndes wie aktuelles tonbeispiel auf den digitalen plattenteller gelegt:
nein, “let it be” von meeks taugt nicht für einen spätsommerhit, es reicht noch nicht einmal für die repeattaste. für mich. für die band meeks hat es für ein ganzes sortiment von beatles-klassikern gereicht. provokativ? nein, ich verschone euch, ich hätte ebenso das cover von “norwegian wood” auflegen können, dessen schlammiges geräuschinto an den soundcheck betrunkener schulbands erinnert und murakami mit sicherheit ohrenbluten verursacht. obwohl, hier habt ihr es:
aber wozu diese schiefe, dissonante einleitung? weshalb der abschweif in psychedelische soundvarianten? weil es einfach gut tut, musik zu hören, die endlich einmal nicht den zuschreibungslogiken und passformen individueller vorlieben entspricht. denn gesellschaftliche einteilung verläuft nunmal in kollektivpattern, in marktanalysierten habitusformen, denen sich die menschen passiv fügen. selbst die masse der individuellen und alternativen werden zu einer konsumgruppe gefasst. verhaltenskodex “jutebeutel” korreliert wohl überwiegend mit dem kaufverhalten “stadtrennrad”. “deleuze” liegt sicher nicht in einem amazoneinkaufskorb mit “rechtswissenschaftlicher basisliteratur”. im zuge der nsa-affäre werden stimmen laut, die sich über die erfassung und weitergabe von personendaten empören. zurecht. aber die einzig sinnige antwort gegenüber kategorisierung und erfassung ist die radikale diskongruenz in form unerwarteter verhaltensformen. konformität ad adversum sozusagen. die infragestellung von lebensformen, handlungsroutinen, disziplinen und traditionen.
die kunst ist vieles nicht, nicht vieles, aber vordenkend immer. bukowski mag keinen hexameter verwendet haben, aber ein meister der freien verwendung von inhalt und form – mit nihilistischen einsprengseln – war er allemal:
kein vergleich mit hemingway
“im zug kam ihm angeblich mal
ein ganzer koffer manuskripte weg
und davon ist nie mehr was
aufgetaucht.
mit so viel agonie kann ich mich
nicht messen, aber neulich abends
schrieb ich auf diesem pc ein
gedicht von drei seiten
und durch schusseligkeit
mangelnde übung und rumspielen
mit befehlen im menü
brachte ich es irgendwie fertig
das gedicht für immer zu
löschen.
glaubt mir, das ist sogar
für einen neuling nicht leicht
aber ich habe es
trotzdem geschafft.
zwar glaube ich nicht, daß die
drei seiten unsterblich waren
aber es waren ein paar irre
knallige zeilen dabei, und die
sind jetzt für immer weg.
es ärgert mich mehr als ein
bißchen. ungefähr so
als hätte ich eine flasche
guten wein umgestoßen.
darüber zu schreiben
macht als gedicht nicht
viel her, aber ich hab mir
gedacht, es interessiert
euch vielleicht.
falls nicht, habt ihr
wenistens bis hierher
gelesen, und es könnte ja sein
daß noch was besseres
nachkommt.
hoffen wirs mal. für
euch und für mich.”
(“kein vergleich mit hemingway” – charles bukowski, aus ders.:
“auf dem stahlroß ins nirwana. gedichte 1988-1992.”)
als 1955 im nwdr das hörspiel „die zikaden“ von der in neapel lebenden schriftstellerin ingeborg bachmann gesendet wurde, war der krieg seit zehn jahren vorüber. bachmann, aus klagenfurt stammend, erlebte hitlers einmarsch in österreich als abruptes ende ihrer kindheit. es lässt sich nur mutmaßen, ob hierdurch ihr früher traum der reinen poesie geschürft wurde und distanz in ihre schriften fuhr, unsicheres zwischenräuspern, eine sehnsucht nach harmonie und die damit verbundene härte und verbitterung ihrer absenz.
„die zikaden“ beschreibt die dystopie einer insel. das stilmittel des entfliehens und des traums von glück im neuen und isolierten wird ohne rücksicht entlarvt. romantischer eskapismus sieht fürwahr anders aus. medium des terrors im idyll sind die zikaden, monoton und siren – menschlicher gesang aus längst verkommener zeit? über einen epischen erzähler lässt bachmann in das hörspiel einleiten:
„es erklingt eine musik, die wir schon einmal gehört haben. aber das ist lange her. ich weiss nicht, wann und wo es war. eine musik ohne melodie, von keiner flöte, keiner maultrommel gespielt. sie kam im sommer aus der erde, wenn die sonne verzweifelt hoch stand, der mittag aus seiner begrifflichkeit stieg und in die zeit eintrat. sie kam aus dem gebüsch und den bäumen. denk dir erhitzte, rasende töne, zu kurz gestrichen auf den gespannten saiten der luft, oder laute, ausgetrockneten kehlen gestossen – ja auch an einen nicht mehr menschlichen, wilden, frenetischen gesang müsste man denken. aber ich kann mich nicht erinnern. und du kannst es auch nicht. oder sag, wann das war! wann und wo?“ (die zikaden – ingeborg bachmann 1974, 87)
wenn eine insel das scheinbare kollektiv rahmt, muss das nicht zwangsläufig bedeuten, dass gemeinsamkeit gewollt ist. auf der namenlosen insel ist das gegenteil der fall: selbstgewollte isolation, unzufriedenheit und sozialneid. robinson, der gefangene, mrs. helen brown, mr. charles brown, prince ali, jeanette, stefano; alle wollen sich freimachen von der last des festlandes. zugereiste, deren reisemotiv nicht der aufbruch, sondern die flucht war.
lakonisch, nahezu ironisch, beschreibt bachmann die parallelen existenzen der insulaner. einziger botschafter und bindeglied ist antonio, der jeden kennt und jedem hilft – aber die wirklich drängenden fragen nach sinn und sinnhaftigkeit gleichgültig verneint. es bleibt die unerbitterliche erkenntnis, dass die flucht auf die insel den personen zwar kurzfristige linderung brachte, tief verwurzelte gewalt allerdings in ihren köpfen mit auf die insel kam. ihr insulanes leben führen sie vor dem hintergrund ihrer vergangenheit. ihr habitus spiegelt sich im schemenhaft erkennbaren festland. ihr handeln ordnet sich der fiktiven vorstellung vom früheren leben unter und reflektiert sich als endlosschlaufe in der zeit, zeit, zeit, die es auf der insel im überfluss gibt.
das hörspiel kann im eigentlichen sinne nicht als solches bezeichnet werden, sondern als situationsbeschreibung von parallelexistenzen, die nur monolog interagieren. einzig und allein der gefangene wagt den ausbruch – und trifft auf unverständnis und indifferenz ob seines mutes:
„nein, sie verstehen nicht. aber hören sie zu: kurz nach mitternacht war es soweit. über ein jahr habe ich an diesen einen augenblick gedacht, von dem ich die uhrzeit nie wissen werde, nie die konstellation der sterne am himmel. ich glaube, ich hatte ihn so gut vorbereitet, dass der weg über die felsen nach dem lautlosen ausbruch vorher mir wie ein wiederholung schien, ein weg, den ich in gedanken schon so oft gegangen war, dass ich ihn ohne verwunderung – nicht zu rasch, nicht zu langsam – nahm. der teil des augenblicks jedoch, in dem ich auf dem niedrigsten felsen der klippenwand angelangt war und die arme hob und sprang, war neu. er kann sich nicht wiederholen. ich muss zwölf stunden geschwommen sein, nackt und wehrlos. ich neidete den andren die zellen, die geruhsamkeit in diesen stunden. dass ich die wette nicht verlor und die nacht überholte, rührt vielleicht daher, dass mein verstand nie still stand, wenn mein herz es tat, weil es sich berührt, betastet, umgarnt vom wasser und dingen im wasser fühlte.“ (die zikaden – bachmann 1974, 98)
bachmanns wortgewalt erschöpft sich nicht in pompösen wortgewittern, sondern lodert wie eine kleine und doch unbändige flamme. sie streut prosaische funken, hie und da ein poetisches flackern – der rest folgt ihrer prämisse, dass omission der emission schon immer um längen voraus war.
„die zikaden“ kann als ruhiges und tiefenpsychologisches hörspiel bezeichnet werden, unaufdringlich und scheu wie bachmann selbst. als das hörspiel herauskam war sie längst berühmt, als frau, die dem intellektuellen deutschland – organisiert in der prätentiösen gruppe 47 – das literarische fürchten lehrte. sie wurde auf händen getragen, von max frisch und paul celan umgarnt, und verkümmerte später doch isoliert und seelisch depriviert auf ihrer tabletten- und nikotinberauschten gedankeninsel.
man muss sich auf ihn einlassen. “banhart is a man taken with strange obsessions: fantasy relationships, beautiful children, 11-century nuns who speak directly to god” schreibt das chicagoer magazine ‘consequence of sound’ über ihn. er ist ein phämonen, weil er schafft, was neben ihm nahezu keinem künstler gelingt: seine musik zeichnet sich durch klar charakteristische und wiedererkennende merkmale aus, und gleichzeitig gehört er zu den chamäleonartigsten und mäandernsten künstler an der gitarre. es gibt tageszeiten, da muss man seine musik hassen, für die direktivität und penetranz seiner tremolo-stimme (wie wäre es mit einem elektroduett mit austra?). doch es gibt momente, da öffnet das herz genau wegen dieser stimme seine scheuklappen, atmet durch im emotionsraum von banhard minimalistischen tonspuren und subtil-eleganten melodielinien. er nennt seine lieder “hildegard von bingen” oder “pumpkin seed”, er komponiert portugiesische folklore und texanischen trashpop. sein sound ist beatles und modern zugleich und seine texte, ja die sind schlicht, direkt und vernichtend sehnsüchtig:
“we burned all our clothes
blew yopo up our nose
we’re a young and lazy ol’ wild boar
yep, we followed the stork
it led us to camp
we didn’t get lost but we lost a chance
1901 was the year of the bleedin’ horse
and i was lonely, lonely
1902 the devil sucked off the moon
please hold me, please hold me
[...]
and the w.a.c.
was pointing remingtons at the trees
they couldn’t find us
can’t find us”
“Tonada Yanomaminista” ist der sechste song aus der offjournal-reihe “accidental play of the week – die musikalische halbe stunde reise nach jerusalem, bei der der song gewinnt, der im ohr stehenbleibt.”
wir leben in organisierten staatsformen, in denen es nicht mehr erlaubt ist, sich [zensiert]. so wie sich menschen im zweiten weltkrieg aus angst nicht mehr trauten, mit ihren nachbarn zu sprechen, so soll man nun [zensiert], und darauf achten, dass [zensiert]. dabei ist die begründung doch ganz einfach: wenn man nicht darüber schreibt, dass [zensiert], so wird man nicht zu befürchten haben, dass [zensiert]. es wird alles geduldet, so lange es der norm entspricht und nicht die mechanismen der [zensiert] aushebelt und sich anmaßt, [zensiert]. natürlich, das netz ist harmlos, so lange man nicht wagt, zu behaupten, dass [zensiert]. daher ist inhaltsleere in menschlichen köpfen immer gut, um [zensiert]. mal ehrlich, wer will wirklich auf den luxus des digitalismus verzichten? was macht es denn schon, wenn die mails [zensiert] und der ein oder andere crawler die sms [zensiert] und sie [zensiert]. der russische geheimdienst schreibt nun nurmehr auf papier, da [zensiert]. und ich tippe trotzdem weiter, obwohl ich [zensiert] und mir eigentlich die lust daran vergeht, dass [zensiert]. ihr wisst, was ich meine. wenn ich wirklich alles schriebe, dann würde womöglich [zensiert], daher wähle ich das einzig richtige und ehrliche mittel in einer offenen demokratischen staatsform und zensiere mich selbst. ist doch ganz einfach und funktioniert hervorragend. natürlich, manchmal werde ich traurig, wenn ich daran denke, dass [zensiert] doch eigentlich die errungenschaft scheinbar zivilisierter völker war. ihr wisst schon, also dass man die [zensiert] hatte, sagen zu dürfen, was man [zensiert]!
you swung my feet to the melody, of the train
to show me the shades about to fall, still moving
you brought me down to the majesty, of your spain
to prove some things will stand some things will fall, moving
and I was okay, and proud
we danced all night to feel the pull, of the chain
to try on the fate ’bout fall, with morning
i woke up to the majesty, of your spain
some things will stand
some things will fall, with morning
[...]